Wasser - Wasserstoff - Wasserstoffversprödung
Wasserstoff, und zwar nicht unbedingt der molekulare Wasserstoff H2, sondern seine atomare Form, spielt eine entscheidende Rolle, wenn es beispielsweise um das Verschweissen von Feinkornstählen geht.
Der Effekt: Das einzelne Wasseratom ist ja nun das kleinste, was man sich so vorstellen kann. Wenn es im Schweissgut derlei Atome gibt, bewegen sich diese im Lauf der Zeit kreuz und quer durch das Kristallgitter. Sofern sich zwei Atome begegnen, passiert etwas dramatisches. Aus zwei einzelnen H-Atomen rekombiniert sich ein H2-Molekül. Dieses hat allerdings einen erheblich größeren Platzbedarf als die einzelnen Atome. Die Folge davon ist eine nicht unerhebliche Sprengwirkung, die sich in entsprechenden Rissen im Schweissgut manifestiert.
Besonders unangenehm daran ist, dass beim Abschluss der Schweissung in einer Sichtprüfung oder mit entsprechend tiefer gehenden Untersuchungen ein perfekter Befund angezeigt wird! Der Wasserstoff braucht für seinen Diffusionsprozess Zeit. Die Risse tauchen erst nach einem oder sogar mehreren Tagen auf.
Es stellt sich nun die Frage, wo der Wasserstoff herkommt. Denn dass dieser nicht als Tramp-Legierungselement im Grund- oder Zusatzwerkstoff vorkommt, dürfte klar sein. In diesem Fall haben wir es zu tun mit einem vorhandenen Angebot an WASSER (H2O) und beispielsweise einem Lichtbogen, der in der Lage ist, das Wasser zu spalten – was zu den freien Wasserstoffatomen führt.
Wie kann man nun sicher stellen, dass das vorhandene Wasserangebot so klein wie möglich wird? Nun, zuerst einmal sollte man dafür sorgen, dass das Rohmaterial nicht gerade im Regen steht und regelrecht nass wird. Stellen Sie sich aber vor, ein Stahlträger wird absolut trocken in einem überdachten Aussenlager bei nahe 0°C gelagert. Nun wird dieser zur Verarbeitung in die Halle geholt. Der Mechanismus, der jetzt einsetzt, ist am ehesten mit einer leicht offen stehenden Gefrierschranktür zu vergleichen: Auf einmal findet aller Wasserdampf aus der umgebenden Luft unwiderstehlich den Weg an diesen neuen, kältesten Ort. In der Praxis sieht man, wie der Träger richtiggehend ’schwitzt‘. Dieser Effekt tritt sofort und mit brachialer Macht ein, sobald das Werkstück der kälteste Punkt im Raum ist.
Die Abhilfe: Der Effekt kehrt sich sofort um, wenn unser Stahl wärmer als die Umgebung wird. Wohlgemerkt, 10K mehr als die Umgebungstemperatur würden schon dafür sorgen, dass sich kein weiteres Wasser niederschlägt. Und wenn man lange genug wartet, wird alle vorhandene Feuchtigkeit quasi magisch vom neuen, kältesten Punkt der Halle angezogen. Beispielsweise von einer nicht so gut isolierten Fensterscheibe. Je mehr Temperaturdifferenz, desto schneller läuft dieser Prozess ab.
Wärme ins Material hinein zu bringen ist also genau das, was hilft, die Menge an Wasser auf dem Stahl zu verringern.
Wärmequellen dafür gibt es zuhauf. Alle Arten von Flammen, Heizmatten, Induktion. Hierbei ist aber auf eines hinzuweisen: Bei der Verbrennung von Brenngasen entsteht Wasser, was mit der Flamme auf den Stahl transportiert wird. Daraufhin muss ein Teil der teuer erzeugten Wärme dazu verwendet werden, auch dieses eingebrachte Wasser vom Stahl zu entfernen. Hierbei gibt es erhebliche Unterschied von Flamme zu Flamme. Bei der Acetylen-Sauerstoff-Flamme ist die Menge an Wasser pro erzeugter Wärmemenge am geringsten, bei der Verbrennung von Propan am schlimmsten.
Im direkten Vergleich zum Vorwärmprozess mit Tiefeninduktion wird deutlich, mit wie wenig Energieaufwand (und wie schnell!) diese Aufgabe eigentlich lösbar ist. Dazu noch mit dem Vorteil relativ niedriger Oberflächentemperaturen. Wenn der Werker optisch überwachen kann, dass absolut nichts glüht und man trotzdem die maximale Durchwärmungsgeschwindigkeit erzielt, erklärt das, warum man mit diesem Verfahren ein hohes Maß an Reproduzierbarkeit und Effizienz erzielt. Mit ‚herkömmlicher‘ Induktion gelingt genau das nicht! Dort kann man wegen der mangelnden Wirktiefe ein Glühen an der Oberfläche kaum vermeiden.